Werbeartikel im Wahlkampf 2009

Bringen Kugelschreiber Wählerstimmen? Welchen Aufwand Parteien betreiben, um Streuartikel zu verschenken
Der Wahlkampf für die Bundestagswahl hat begonnen. So mancher Deutscher mag bedauern, dass weder Angela Merkel noch Frank Steinmeier glamouröse Showbiz-Aura ausstrahlen und sich heimlich einen Obama herbeiwünschen. Doch wäre das Herz eines deutschen Wählers mit seinem sprichwörtlichen Sinn fürs Vernünftige überhaupt mit einem Showmenschen als Kanzlerkandidat zu erobern? Es ist zu bezweifeln. Und so setzen die Parteien wie eh und je auf praktische Stimmfänger wie Kugelschreiber und Schlüsselanhänger. Eine im November 2008 veröffentlichte amerikanische Studie ergab, dass kleine Werbegeschenke durchaus die Meinung der Beschenkten gegenüber dem Schenkenden in positiver Weise verändern.

Einkauf und Verteilungslogistik der Streuartikel bleiben den Ortsvereinen der Parteien überlassen. „Ein zentral gesteuerter Einkauf hingegen könnte möglicherweise günstigere Einkaufpreise erzielen und den gesamten Ablauf wirtschaftlicher und transparenter gestalten“, sagt der Geschäftsführer der auf Marketinglogistik spezialisierten PSS Marketing GmbH, Claus Heil.

Von den einen als „Wahldevotionalien“ verspottet, von den anderen leidenschaftlich gehamstert: Auch im Superwahljahr 2009 beschenken Parteien allerorts mögliche Wähler mit Give-Aways wie Kugelschreibern und Feuerzeugen. „Die grundsätzliche Intention ist es zunächst, ein generelles Interesse dafür zu wecken, dass Wahlen bevorstehen“, sagt Marcel Kauling von der FDP Nordrhein-Westfalen. „Bei Wählern, die ohne feste Gesinnung in ein Wahljahr starten, darf der Wahlkampf von Fernsehen bis zum Aufkleber in der Einkaufspassage auf keinen Fall unterschätzt werden.“ Eine im November 2008 veröffentlichte Studie des amerikanischen Advertising Specialty Institute unterstützt diese Meinung. 42 Prozent der Befragten gaben an, nach dem Erhalt eines Werbegeschenks positiver über den Schenkenden zu denken als vorher. Ein wichtiges Argument für die Streuartikel ist auch die überaus positive CPI-Rate, (Cost Per Impression, zu Deutsch Kontaktpreise), die 0,004$ beträgt. Damit sind Werbegeschenke deutlich günstiger als etwa Print- oder TV-Werbung, was nicht nur an den häufigen Kontakten der Streuartikel mit der Umwelt begründet ist, sondern auch an den geringen Einkaufspreisen derselben.

Jedem Wahlbezirk das eigene Give-Away

Die Streuartikel unterscheiden sich übrigens keineswegs nur von Partei zu Partei, sondern auch innerparteilich, und das sogar von Wahlbezirk zu Wahlbezirk. Zentral gesteuert wird der Wahlkampf nur in Dingen wie Zeitungsanzeigen, Plakatwerbung sowie TV- und Kinospots. Die BayernSPD erhalte jedes Jahr von mehreren Dutzend Anbietern Angebote, sagt Pressesprecher Harald Schneider. Wer was wo und in welcher Menge bestellt, hängt von den einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten, von den Ortsvereinen beziehungsweise der Wahlkampfleitenden Organisation ab. Das hat durchaus seinen Sinn. „Wer den Wahlkampf führt, entscheidet lieber selber, was in seinem Wahl- oder Stimmkreis gut ankommt“, erklärt Schneider. Manche würden zum Beispiel nicht immer nur die Kugelschreiber, sondern lieber etwas Originelleres, etwas
‚Gebildeteres’ haben wollen. Damit könne man wiederum in sozial eher schwachen Wohngebieten wie dem Münchner Hasenbergl nicht unbedingt punkten. Claus Heil hält diese Argumentation nur für bedingt einleuchtend: „Man fragt sich schon, ob es ökonomisch sinnvoll ist, den Aufwand zu betreiben, diese Geschenke lokal und dann auch noch bei mehreren Dutzend verschiedenen Anbietern auszusuchen und zu bestellen.“

Dezentrale Steuerung von Einkauf und Logistik

Allein in Bayern gibt es um die 1750 SPD-Ortsvereine, die alle für ihre Werbemittel selbst verantwortlich sind. Daran könne man laut Heil zwei Dinge erkennen. Zum einen, was für ein massiver Aufwand betrieben werden müsste, um Einkauf, Lagerung und Verteilungslogistik auch nur auf Landesebene zu koordinieren. Zum anderen zeige sich aber auch, dass möglicherweise enorme Einsparpotenziale verschwendet würden. „Denn ein Vorteil zentraler Logistik sind günstigere Konditionen im Einkauf“, sagt Heil. Zwar sei es richtig, dass der Unterschied im Einkaufspreis bei Mengenabnahmen von 50.000 zu 100.000 sehr gering ist. Gerade in der Finanzkrise sollten aber alle Einsparmöglichkeiten genutzt und Einzelwünsche nach Möglichkeit vermieden werden, will eine Partei glaubwürdig als sparsam gelten.

Die Menge der bestellten Give-Aways hängt in der Regel von Erfahrungswerten der jeweiligen Orts- und Kreisverbände ab. „Das wäre eine sehr gute Datenbasis für eine zentrale Koordination“, sagt Heil. Die Parteien erläutern zwar, dass immer „die richtigen“ Mengen bestellt würden und alles immer gut funktioniere. „Aber anhand einer zentralen Datenbank könnte ich nicht nur sehen, ob tatsächlich alle bestellten Streuartikel auch verschenkt wurden, sondern auch, ob irgendwo welche übrig sind, die dann in einen anderen Wahlbezirk gebracht werden können. Da könnte man auf teure Nachbestellungen verzichten.“

Der Gedanke an ein zentrales System für Einkauf und Verteilungslogistik trifft bei den Parteien auf wenig Zuspruch, da die Kosten dafür sehr hoch seien. Doch die Tatsache, dass jeder Ortsverein sein eigenes Süppchen braut, bedeutet auch, dass der Wähler wenig Überblick hat, wofür eigentlich Geld ausgegeben wird. Auf die Frage etwa, wie viele Streuartikel im letzten Wahlkampf verschenkt wurden, antwortet die FDP Nordrhein-Westfalen, dass sie darüber keine Auskunft geben könne, da „es keine Stelle gibt, die derartige Zahlen zentral erfasst.“ Genau das wäre laut Heil aber wünschenswert, denn im Moment seien die Kosten, die den Parteien durch Streuartikel entstehen, für den Wähler intransparent.
Zudem hätte eine zentrale Regelung einen entscheidenden Vorteil: „Die Wahlkämpfer könnten sich ihrer Kernkompetenz widmen, nämlich dem Politikmachen. Denn dafür werden sie schließlich gewählt.“

Hintergrund PSS Marketing:

Das Unternehmen wurde 1994 von Claus Heil und Martin Hohmann gegründet.
Das Leistungsspektrum der PSS Marketing GmbH erstreckt sich heute auf vier Kernaufgaben: Klassische Werbung, Point-of-Sale Kommunikation/ Verkaufsförderung, Direktmarketing und Marketinglogistik. Leistungen aus den vier Komponenten können die Kunden einzeln oder im Gesamtpaket kaufen.
Die GmbH beschäftigt am Standort in Bochum 30 fest angestellte und rund 40 freie Mitarbeiter.